Gedenkstätte für drei Opfer des NS-Regimes
Die Schrecken der NS-Zeit und des Krieges nicht zu vergessen – das ist sehr wichtig und heute doch immer schwieriger. Diejenigen, die die Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland und die Schrecken des Zweiten Weltkriegs bewusst erlebt haben, die sich an Verfolgung und Deportationen noch erinnern können, werden immer weniger. Und in wenigen Jahren werden auch die letzten Zeitzeugen verstorben sein. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung wach zu halten und auch die Menschen ins Bewusstsein der Bevölkerung zurückzuholen, die sich dem Terror und der Gewalt des NS-Regimes widersetzt haben. Auf dem Abteifriedhof erinnert eine kleine Gedenkstätte an drei Männer, die aus ihrer Überzeugung heraus Widerstand geleistet haben und dafür mit dem Leben bezahlen mussten.
Im Herbst 1940 wurde auf dem Abteifriedhof zu sehr früher Stunde am Morgen eine heimliche Beerdigung vorgenommen. Die Urne des Hamborner Künstlers und Fotografen Wilhelm Paul Kempa wurde nur im Beisein seiner Mutter, seiner Schwester und Pfarrer Stindts beigesetzt. Der in Hamborn geborene Künstler widmete sich der Malerei (u. a. Stillleben, Tierdarstellungen) und Fotografie. Als gläubiger Christ verweigerte er den Eintritt in die Wehrmacht und somit die Kriegsteilnahme. Seine Mitmenschen im Krieg zu töten, kam für ihn unter keinen Umständen in Frage. In Briefen an seine Geschwister bezeichnete er sich als „Soldat Jesu“ – nur ihm werde er Gefolgschaft leisten. Eine Überzeugung, für die er verhaftet und in das Gefängnis in Berlin-Moabit überführt wurde.
Dort machte man ihm den Prozess und im August 1940 wurde er wegen sogenannter „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt. Am 24. September 1940 erfolgte im Morgengrauen die Vollstreckung des Urteils: Wilhelm Paul Kempa wurde in Brandenburg an der Havel enthauptet. Seine Leiche wurde verbrannt und die Urne auf Bitten seiner Schwester Bertha der Familie überstellt. In der Nacht vor seinem Tod schrieb Kempa: „Der Herr gibt und nimmt das Leben, und meiner Erfüllung sehe ich mit dem Einsatz des Lebens ruhig entgegen, ich bin mir und meiner Überzeugung treu geblieben.“ Heute gilt Kempa als Märtyrer, also als jemand, der für seinen Glauben gestorben ist. Als solcher ist er im „Deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ gelistet. An ihn wird auch in der Gedenkstätte für neuzeitliche Märtyrer im Xantener St.-Viktor-Dom erinnert. Die Verurteilung Kempas wegen „Wehrkraftzersetzung“ hatte auch nach Ende der NS-Zeit weiter bestand. Erst im Jahre 2002 hob der Bundestag mit einer Änderung des 1998 erlassenen Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Straftrechtspflege Urteile dieser Art auf.
Auch der auf dem benachbarten Fiskusfriedhof Neumühl bestattete Josef Lhotak wurde wegen Kriegsdienstverweigerung hingerichtet. Als Hitler in den letzten Kriegsmonaten zum sogenannten „Volkssturm“ Jungen und alte Männer einzog, um sie gegen die Alliierten kämpfen zu lassen, verweigerte sich Lhotak diesem brutalen Unterfangen. Seine Schwester erinnerte sich, dass kurz vor Ostern 1945 die Nachricht vom Tod des damals 17-Jährigen die Eltern erreichte und der Vater losging, um die Leiche seines Sohnes nach Hause zu bringen. Josef Lhotak wurde am Bahnhof Meiderich mit Schüssen in die Brustwarzen, den Bauchnabel und den Mund durch SS- oder Gestapo-Mitglieder ermordet. Den Einberufungsbefehl trug er noch in der Brusttasche, als er bei seinen Eltern aufgebahrt wurde – so erinnerte sich vor wenigen Jahren seine Schwester. Der junge Mann wurde in einem behelfsmäßig aus Brettern zusammengezimmerten Sarg auf dem Fiskusfriedhof bestattet.
Der Diplomat in Diensten des niederländischen und später des schwedischen Konsulats Wilhelm Frede setzte sich von 1933 an für die Verfolgten des NS-Regimes ein. Seine Anstellung ermöglichte ihm die Unterstützung Ausreisewilliger – doch dabei sollte es nicht bleiben: Offen setzte sich er sich in der Pogromnacht 1938 für einen jüdischen Bürger ein, dessen Haus von mehreren Jungen mit Steinen attackiert wurde. Frede wurde denunziert und geriet so ins Fadenkreuz der Gestapo, die ihn ab 1940 observierte. Sein offen gelebter Glaube, sein Umgang mit katholischen Priestern und Juden und seine Weigerung, in die NSDAP einzutreten, führten zu seiner Entlassung aus dem Konsulatsdienst und schließlich auch zu seiner Verhaftung. Frede wurde als „Judenfreund“ und „fanatischer Katholik“ bezeichnet und im Februar 1942 ins KZ Sachsenhausen überstellt und inhaftiert. Einen Monat später, am 13. März 1942, verstarb er dort. Sein Leichnam wurde verbrannt. Die offizielle Todesursache lautete: Herzschwäche infolge einer Lungenentzündung. Ein Mithäftling und Augenzeuge berichtete jedoch, Wilhelm Frede erfror, nachdem er von einem SS-Mann an eine Wand gehängt, mit Wasser übergossen und bei Minusgraden dort belassen worden sei.
Wie Wilhelm Paul Kempa wurde auch Frede in die Gedenkstätte neuzeitlicher Märtyrer und das neuzeitliche Martyrologium aufgenommen. 2020 wurde seitens des Bistums Münster ein Seligsprechungsprozess für ihn initiiert, der sich momentan im Vatikan in der Prüfung befindet. Ein Gedenkstein für Frede auf dem Abteifriedhof Hamborn im Bereich ist momentan in Planung und soll zeitnah umgesetzt werden.
Paul Wilhelm Kempa, Josef Lothak und Wilhelm Frede sind nicht die Einzigen, die dem NS-Regime in Hamborn und anderen Duisburger Statteilen Widerstand leisteten. Ablehnung der nationalsozialistischen Regierung gab es in Duisburg allein aufgrund der Prägung der Stadt durch Arbeiter und Gewerkschaften. Im Hamborn entstand schon 1934 eine ganze Widerstandsgruppe, die sich in der Bäckerei Germania organisierte. Neben Backwaren wurden am ganzen Niederrhein auch Flugblätter ausgefahren und verteilt, die zum Sturz des NS-Regimes aufriefen. Doch schon 1935 flog die Gruppe auf. Während der Verhöre wurden die Mitglieder gefoltert, vier überlebten die Untersuchungshaft nicht.
Trotz dieser Beispiele des Widerstandes ist aber auch Duisburg zwischen 1933 und 1945 eine vom Nationalsozialismus dominierte Stadt, in der Menschen gedemütigt, verfolgt, verhaftet, deportiert und ermordet wurden. Schon im Frühjahr 1933 waren jüdische MitbürgerInnen Hetze ausgesetzt. In Hamborn hatte man es vor allem auf aus Osteuropa stammende Jüdinnen und Juden abgesehen. Zahlreiche von ihnen wurden während der sogenannten „Polenaktion“ im Herbst 1938 an die polnische Grenze transportiert und abgeschoben. In der Nacht auf den 10. November wurden in Hamborn die Wohnungen und Geschäfte jüdischer EinwohnerInnen geplündert und zertrümmert, zahlreiche jüdische Männer wurden ohne Grund verhaftet und in Polizeigewahrsam festgehalten. Die Synagoge in der Kaiser-Friedrich-Straße, die die jüdische Gemeinde zu diesem Zeitpunkt bereits unfreiwillig hatte verkaufen müssen, wurde angesteckt und brannte unter den Augen zahlreicher Schaulustiger ab. Bis 1945 wurden tausende DuisburgerInnen auf Grund ihres Glaubens, ihrer Abstammung, ihrer Weltanschauung, ihrer sexuellen Orientierung, wegen Krankheiten oder Behinderungen und diverser anderer Gründe verfolgt und ermordet.